No-Gos und echte Hilfe
Wenn der Partner Ängste hat: Unterstütze deinen Schatz empathisch und verständnisvoll
- Aktualisiert: 09.02.2024
- 13:49 Uhr
- Alina Milewicz
Du hast dich in einen Menschen mit einer Angststörung verliebt und fragst dich, was jetzt auf dich zukommt? Was eine Angststörung ist, wie du Betroffene unterstützen kannst und worauf du sonst noch achten solltest.
Was ist eine Angststörung?
Jeder vierte Mensch wird in seinem Leben früher oder später mal eine Angststörung erleben. Zehn bis 14 Prozent der Bevölkerung haben sogar eine behandlungsbedürftige Angststörung. Es ist also gar nicht mal so unwahrscheinlich, dass man im Laufe seines Datinglebens jemanden kennenlernt, der große Probleme hat, die eigenen Angstgefühle in Schach zu halten. Sollte dich das vom Daten und Flirten abhalten? Auf keinen Fall! Es macht aber durchaus Sinn, dass du dich schlau machst, was genau eine Angststörung ist, damit du etwas besser darauf vorbereitet bist, was auf dich zukommen könnte. Außerdem kannst du so eine bessere Unterstützung für dein Gegenüber sein. Am Ende kann es euch nämlich näher zusammenbringen, wenn ihr schwierige Situationen gemeinsam meistert!
Grundsätzlich ist das Gefühl der Angst - so unangenehm sie auch sein kann - nichts Schlechtes oder gar Falsches. Wer Angst verspürt, also etwa starkes Herzklopfen bis -rasen, übermäßiges Schwitzen, Atemnot, zitternde Hände und Knie, ist in Alarmbereitschaft und kann superschnell reagieren, wenn etwas Bedrohliches passiert. Ist die (vermeintliche) Gefahrensituation vorbei, geht auch die Angst wieder weg. Bei einer Angststörung bleibt die Angst und sie tritt zudem in Situationen auf, die objektiv betrachtet gar nicht zum Fürchten sind. Anders gesagt: Obwohl du dich völlig entspannt fühlst, kann es sein, dass dein Date gerade schreckliche Ängste durchmacht. Laut der Krankenkasse AOK leiden in Deutschland etwa 9 Prozent der Männer und 21 Prozent der Frauen innerhalb eines Jahres an einer Angststörung.
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Welche Arten von Angststörungen gibt es?
Es gibt viele Gründe dafür, warum jemand eine Angststörung entwickeln kann, dazu gehört auch eine genetische Veranlagung. Die Erziehung kann auch einen Einfluss haben, etwa wenn die Eltern emotional abwesend waren oder aber wenn sie ihr Kind zu sehr behütet haben. Auch einschneidende Erlebnisse, wie ein schlimmer Unfall, der Tod einer nahestehenden Person, Jobverlust, eine schlimme Diagnose oder finanzielle Schwierigkeiten können eine Angststörung begünstigen. Grundsätzlich sind Menschen, die bereits an anderen psychischen Erkrankungen leiden, auch anfälliger, zusätzlich eine Angststörung zu entwickeln. Man kann diese in drei Arten einordnen:
- Bei einer Phobie gibt es immer einen konkreten Auslöser der Angstreaktion. Zum Beispiel können Menschen Panik bekommen, wenn sie einen bestimmten Gegenstand (etwa: Spritzen) oder ein Insekt (Spinnen, klar!) sehen. Oder aber sie leiden unter einer sozialen Phobie und haben größte Probleme damit, zum Beispiel vor einer Menschengruppe zu sprechen.
- Für Panikstörungen gibt es meist keinen konkreten Auslöser. Sie können also plötzlich und ohne erkennbaren Grund auftreten. Wenn dazu noch die Angst vor Orten kommt, bei denen es keinen einfachen Exit gibt (zum Beispiel: Aufzug, Bus oder Bahn), dann hat man es noch mit einer Agoraphobie zu tun, die beiden Angststörungen treten oft zusammen auf.
- Bei einer generalisierten Angststörung hat man einfach ständig Angst - davor, dass einem selbst oder einem nahestehenden Menschen etwas Schlimmes passieren kann. Innerlich ist man ununterbrochen angespannt und die Sorge ist ein ständiger Begleiter.
Woran erkenne ich, dass mein Date eine Angststörung hat?
Am einfachsten wäre es, dein Gegenüber zu fragen, ob er oder sie eine Angststörung hat. Falls ihr aber noch ganz am Anfang eures Kennenlernens steht und du dich noch nicht traust, so etwas zu fragen, oder wenn dein Date sich seiner Angststörung vielleicht selbst nicht bewusst ist, können auch diese Symptome darauf hinweisen:
- Hyperventilieren
- Übelkeit
- angespannte Muskeln
- die Unfähigkeit, einen klaren Gedanken zu fassen
- Schwierigkeiten, sich deutlich auszudrücken
- Alpträume oder Schlaflosigkeit
- Panikgefühle
- Zappeligkeit
Diese Symptome treten bei einer Angststörung nicht unbedingt alle oder nicht gleichzeitig auf. Außerdem können sie unterschiedlich stark ausgeprägt sein.
Wie ist es, jemanden mit Angststörungen zu daten?
Stell dir vor, du datest einen Menschen, mit dem du bestimmte Orte oder Events nicht besuchen kannst, der sich ständig Sorgen macht, dass aus euch nichts wird oder dass ihr euch bald trennen könntet. Klingt anstrengend, ist es wahrscheinlich auch. Das bedeutet aber nicht, dass ihr nicht eine wunderschöne Beziehung führen könnt, wenn ihr euch erst einmal aufeinander eingestellt habt! Angststörungen machen außerdem auch nicht den ganzen Menschen aus und können überwunden werden. Wahr ist aber, dass es Menschen mit psychischen Erkrankungen im Datingleben schwerer haben. Eine Studie, die im Fachmagazin "Evolutionary Psychological Science" veröffentlicht wurde, besagt, dass sie im Vergleich mit anderen weniger gute Chancen auf dem Singlemarkt haben.
Wie kann man einen Partner/ eine Partnerin mit Angststörungen unterstützen?
Wenn dein Gegenüber aus keinem für dich ersichtlichen Grund Angst oder Panik bekommt, dann kann es super schwierig sein, verständnisvoll zu reagieren: Für dich ist schließlich alles okay und was bei deinem Date oder Partner:in im Kopf gerade abgeht, kannst du nicht wissen. Was du auf keinen Fall in so einer Situation tun solltest? So etwas wie "Beruhig dich mal" oder "Komm mal runter, ist doch nichts los!" sagen. Empathie ist das Zauberwort! Das hilft außerdem:
1. Reality-Check
Dein:e Partner:in sagt immer wieder Pläne ab, möchte nicht mit zu Partys oder bombardiert dich mit Nachrichten, wenn du unterwegs bist? Das tut er oder sie nicht aus böser Absicht, Egoismus oder weil er oder sie dich manipulieren will, sondern um schwierige Situationen zu vermeiden. Denk immer daran, bevor du enttäuscht oder wütend wirst.
2. Versuche, nicht zu urteilen
Wenn dir jemand von seinen Ängsten erzählt, dann kostet das dein Gegenüber Überwindung. Das Blödeste, was du jetzt tun kannst, ist diese Ängste als absurd darzustellen. Versuche, dem Impuls erklären zu wollen, warum seine Angst unbegründet ist, zu widerstehen. Stattdessen übe dich darin, einfach zuzuhören und neutral-interessierte Nachfragen zu stellen: Statt zu sagen "Ach, das ist doch Quatsch!", frage lieber, "Ich verstehe deine Sorge nicht, kannst du mir mehr darüber erzählen?". Du solltest der Safe Space für dein Date oder Partner:in sein, wo er oder sie keine Angst haben muss für etwas, dass er oder sie fühlt, verurteilt zu werden.
3. Lerne, was ihn oder sie triggert
Einige Betroffene von Angststörungen haben Panik vor Vögeln, andere vor Hunden, manche vor Scheren, andere vor Bohrern, manche vor Menschenansammlungen, andere vor engen Räumen. Wenn du verstehst, was bei deinem Date Angstgefühle auslösen kann, dann ist nicht nur ihm oder ihr, sondern auch dir selbst geholfen, weil du so einfacher Verständnis aufbringen kannst und ihr solche Trigger-Momente zusammen umschiffen könnt.
4. Sag etwas, das hilft
Manchmal braucht es gar nicht viel mehr, als deinem Gegenüber zu sagen "Ich bin an deiner Seite", um ihn oder sie in dieser Situation abzuholen. Andere Sätze, die deinem Date ein gutes Gefühl geben können, sind: "Ich höre dir zu", "Ich weiß, dass das alles gerade viel für dich ist", "Soll ich mich zu dir setzen?", "Kann ich etwas tun, um dir zu helfen?".
Was kann dir und deinem Partner/deiner Partnerin helfen?
Keine Frage: Eine psychische Erkrankung bedeutet in einer Beziehung immer einen zusätzlichen Stressfaktor. Aber welche Partnerschaft ist stressfrei und welcher Mensch ist mental so stabil, dass er sich nie mit Problemen auseinandersetzen muss? Wenn beide Partner:innen lernen, mit einer Angststörung umzugehen - der Betroffene, sowie der indirekt betroffene Teil -, dann kann man trotzdem eine glückliche Beziehung führen. Du kannst darüber nachdenken, ob es Sinn für dich macht, dir Unterstützung in Form einer Therapie zu holen. Vielleicht gibt es auch Gruppen, in denen sich Angehörige von Menschen mit Angststörung darüber austauschen, wie sie zurechtkommen? Auf jeden Fall bist du nicht allein mit den Herausforderungen, und es tut gut, sich das immer wieder bewusst zu machen.
Versuche aber nicht, deinen Partner oder deine Partnerin in Watte zu packen und zu denken, dass du ihn oder sie mit deinen ganz eigenen Problemen nicht noch zusätzlich "belasten" darfst. Ihr habt immer noch eine Partnerschaft, in der auch deine Themen wichtig sind und in der auch du dich wohl und sicher fühlen solltest. Du bist schließlich kein:e Therapeut:in und du kannst und solltest sowas auch gar nicht leisten. Falls er oder sie sich noch nicht in Behandlung befindet, kannst du ihn oder sie unbedingt dazu ermutigen.
Fazit: So datet man jemanden mit Angststörung
Ein "Ich verbringe gerne Zeit mit dir" kann deinem Date die Angst nehmen, dass er oder sie dich verlieren wird. "Ich verspäte mich um 15 Minuten" nimmt deinem Gegenüber die Sorge, dass dir etwas zugestoßen ist. Menschen mit Angststörung zu daten bedeutet vor allem achtsamer im Umgang miteinander zu sein und sich bewusst zu werden, was die eigenen Worte und Taten beim anderen auslösen könnten. Das kann anstrengend sein, weil man mehr mitdenken muss, aber es kann zwei Menschen einander auch näher bringen, schließlich sorgt man sich um- und füreinander. Und das bedeutet auch, dass du dich um dich selbst kümmern solltest: Wenn du überforderst bist, dann darf das sein und heißt nur, dass du dir die Hilfe suchen solltest, die du brauchst, um für dich und deinen Partner oder deine Partnerin da sein zu können.
Falls du Hilfe brauchst, findest du Unterstützung bei der bundesweiten Telefonseelsorge unter: 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Alternativ kannst du auch eine E-Mail an online.telefonseelsorge.de schreiben.